Sebastian Gruber

Abortus Eystettensis, Folge 1

Satire

Dieser Text hat nichts mit realen Personen zu tun. Zumindest fast nichts. In Wirklichkeit ist alles viel schlimmer. Masochistische Konsumenten können sich auf eine Fortsetzung im nächsten Heft freuen, alle anderen dürfen an den Konvent spenden, damit wir uns den Druck von roten Warnschildern leisten können.

Innen – Sitzungssaal – Nacht

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Sitzungssaal mit vielen Tischen und Stühlen. Die erste Präsidentenwahl ist gerade gescheitert, da der gewählte Kandidat nach Differenzen die Wahl nicht angenommen hat.
Das Buffet war für die Feier nach der Wahl gedacht, ist jetzt aber trotzdem schon fast abgegessen, leere Kaffeetassen stehen herum. Spärliches Licht von Schreibtischlampen.

Prof 1: Wir können uns das so nicht mehr leisten. Wir blamiern uns doch damit sowas von komplett, da brauch ich gar keine Drittmittelanträge mehr schreiben.

Prof 2: Als ob Ihre Anträge jemals was gebracht hätten! Diese Orchideenfächer sind da sowieso chancenlos. Anwendbare Ergebnisse wollen die Firmen, so wie bei mir!

Prof 1: Wie bei Ihnen! Ja. (lacht spöttisch) Sowas nennt man Profilierungssucht. Sie wollten doch eigentlich mal einen eigenen Lehrstuhl, aber dazu reichen die geistigen Ergüsse anscheinend nicht!

Prof 3: (resolut) Meine Herren, das reicht jetzt! Wir brauchen hier weder bissige Kommentare noch Lobhüdelei. Wir brauchen einen Präsidenten!

Prof 4: (mit erhobenem Zeigefinger) Oder eine Präsidentin!

Prof 3: Ja, verehrte Kollegin, auch das wäre möglich. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass das passiert, ist in etwa so groß wie die, dass die Kirche Kondome erlaubt.

Prof 1: (kichert) Tut sie doch neuerdings. In Härtefällen.

Prof 4: Ihre unqualifizierten Kommentare können wir hier nicht brauchen. (denkt kurz nach) Dass der sowas überhaupt in den Mund nimmt …

Prof 2: Was bleibt uns jetzt hier eigentlich noch zu tun? Wir brauchen eine Presseerklärung.

Prof 4: Nein, wir brauchen eine Finanzierung. Hier will jeder dauernd Geld, aber das Konkordat …

Prof 3: … das Konkordat erlaubt zwar die Einmischung der Kirche bei der Besetzung von Professuren auch an anderen bayerischen Universitäten, jedoch ist damit nicht automatisch mehr Geld verbunden. Wir können also nicht darauf hoffen, dass man uns alle Sorgen abnimmt.

Prof 1: Vielleicht können wir die Bischöfe irgendwie anders günstig stimmen. Wie wär’s mit einem neuen Angebot in der Mensa?

Dunkel. Sprung zu:

Innen – Mensa – Tag

Studenten stehen mit Tablett unter dem Arm vor der Essensausgabe an. Die Schlange ist lang, weil es kurz vor halb Zwölf ist, so dass man das vordere Ende nicht mehr sieht. Relativ weit hinten, aber nicht ganz hinten, stehen ein Student und eine Studentin.

Student: Für mich gibt’s hier zwei Kategorien. »Nahrung« hat Nährwert, und bei »Essen« fängt’s mit Geschmack und Niveau an. Und wichtig: Immer zuerst im Glaskasten anschaun!

Studentin: Früher ham hier Mayo und Ketchup nix gekostet, und die selbergemachte Mayo hat besser geschmeckt.

Student: Wann früher? Welches Semester bist du eigentlich?

Studentin: Rat mal!

Student: (überlegt) Keine Ahnung. Elftes?

Studentin: (grinst) Fast. Siebzehntes. Theologie.
Hm, was nehm ich jetz? Heute gibt’s ja sogar Essen. Aber für den Salat hab ich zu wenig Geld dabei, also Genesis.

Student: Genesis?

Studentin: Schöpfgericht.

Student: (verdreht die Augen) Pfff.

Studentin: Eigentlich müsste ich als Theologin den »Tipp des Tages« essen. Is dir aufgefallen, dass da immer der Rest von gestern wieder aufersteht?

Student: Ich nehm jetzt Forelle »Müllerin Art«, der kann ich wenigstens noch ins Gesicht schauen. Aber ich hätt Lust auf Abwechslung. Hat’s hier schon mal Wild gegeben? Oder Hamburger?

Studentin: Hier gibt’s höchstens Walburger.

Dunkel. Zurück zu:

Innen – Sitzungssaal – Nacht

Profs in unveränderter Position.

Prof 3: Das reicht jetzt! Ihre Ideen werden immer absurder.

Prof 2: Wir müssen das K-Profil schärfen. Katholisch, konservativ, kinderlieb!

Prof 4: Das darf so nicht ins Protokoll.

Prof 2: (wollte gerade Kaffee trinken, setzt die Tasse aber wieder ab) Wieso?

Prof 4: Es gibt schon genug Gerede über Katholiken und Kinder.

Prof 2: (empört) Ich verbitte mir diese Unterstellung! So habe ich das, und das möchte ich ausdrücklich betonen, in keiner Weise gemeint!

Prof 1: Formulieren Sie präziser! Verschwurbelte Geisteswissenschaftler gibt es sowieso zu viele!

Prof 3: (steht auf) Mir wird das zu viel. Wir brauchen bis morgen früh einen unmissverständlichen Text. In den letzten Jahren haben wir schon zu viele Präsidenten verschlissen. Ich komme in ein paar Minuten wieder, machen Sie sich bis dahin bitte Gedanken, wie wir das erneute Scheitern zumindest nicht ganz so verheerend erscheinen lassen könnten!

Prof 3 geht aus dem Blickfeld.
Die anderen verfallen in brütendes Schweigen, trinken mit der Zeit immer mehr Kaffee, essen die letzten Reste des Buffets, und werden immer nervöser.

Prof 2: Ich muss ins Bett!

Prof 4: Sie bleiben! Wir müssen ja schließlich auch!

Prof 3 kommt wieder herein. Er hat eine Schreibmaschine und Papier dabei.

Prof 3: Die Sekretärin ist schon lange weg, wir müssen also selbst schreiben. Von Ihnen kann vermutlich auch niemand mit diesen neumodischen Programmen umgehen. Ich habe daher meine treue Erika aus dem Schrank geholt, das muss genügen.

Prof 2: (spöttisch) Wann wollten Sie emeritieren?

Prof 3: (mühevoll beherrscht) Zu meinem vollumfänglichen Bedauern muss ich Ihnen leider mitteilen, dass das noch ein paar Jahre dauern wird.

Prof 1: Fangen wir jetzt eigentlich mal an?

Prof 3: Ich bitte darum.

Dunkel. Sprung zu:

Außen – Bus – Tag

Ein Bus, darin neben dem Busfahrer nur ein Student und eine dösende Rentnerin.
Plötzlich laute harte Technomusik (Gabber, Trance, Schranz, …) ohne erkennbare Quelle.

Student: (telefoniert) Wart mal kurz! (schaut sich fragend um) Ähhh …

Rentnerin: (wacht auf, holt Handy aus der Handtasche. Musik aus) Was geht ab, Traudl?

Student: Ok, dann heute Abend in der Theke. (legt auf) Ufff.

Bus hält an, ein Penner steigt ein und setzt sich neben den Studenten. Bus fährt weiter.
Rentnerin redet im Hintergrund weiter.

Penner: (fränkischer Dialekt) Ohne mich wärn dei alle errbbadslos. (unterdrückt Rülpser) Schee, oda?

Rentnerin schaut ihn schief von der Seite an, zieht Augenbrauen hoch.

Penner: Da brauchn’s goaned so schaugn. De vom Amd häddn doch sonst nix z’dun, wenn i ned do wär. Eichschdädd hat doch sonst pragdisch kaane Errbbadslosn. Und ned amol vill z’dun gibds da, deswechen hoggn mir baar hald imma im Englwird.

Rentnerin beendet Telefonat.

Penner: Aba i dring nie wieder so an Ouzo. Den ganzn Dach dieser Anusgschmack in da Goschn. (stutzt. Student schaut irritiert) Äh, Anis. (betont) Aniiis!

Student: (schwäbischer Dialekt) Ja woisch, mir send da vorbereitet und essn vorher gscheid. Mir hend bei uns Mauldäschle, mir hend Schbätzle, und Flädle hemmr au. Dann kenna mir bessr saufn.

Rentnerin: Also mein Willi isst immer an Sausack, bevor er zum Schützenverein geht.

Student: Was isch a Sausack?

Rentnerin: In Eichstätt is a Sausack des, was woanders Presssack hoasst. Und die Preissn sagn Presskopf.

Penner: Hier wern vill z’weng Viecha übafahrn. Und die baar sin dann zu bladd. Sonst kennadd ma dei essn.


Die nächste Folge erscheint, sobald sie fertig ist. ;)


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